Bundestags-Wahlkampf

Text: Cornelia Kerber, 19.09.2009, Süddeutsche Zeitung, Jetzt Redaktion

Lieber Leser,
nicht die die Form, der Inhalt, Qualität oder gar die Quantität des Wahlkampfes erstaunen mich, sondern die Debatten der Journalisten und des Volkes hierüber.
Kritisierten wir nicht über Jahre hinweg das eigens zum Wahlkampf inszenierte Wortgefecht, die oftmals aufgebauschten Polemik und eine Kampagne welche auf Fehlersuche der Mitstreiter basierte anstatt auf eigenen Ideen und Inhalte?
Saßen wir nicht emotional berührt und mit erhobenem Zeigefinger vor den Fernseher bei Wortgefechten der Politiker, welche sich den Reportern stellten und meinten einen verbalen Kleinkrieg bestreiten zu müssen?
Reagierten viele Bürger nicht missmutig bezüglich des finanziellen Aufwands der Parteien zur Werbung, fanden diesen unwirtschaftlich und verschwenderisch?
Nun befinden wir uns in der Kontroverse und wieder erheben sich die Stimmen.
Gleich dem Wetter…es ist nie recht.

Betrachtet man die TV Debatte Merkel versus Steinmeier, angepriesen als DAS highlight des Wahlkampfes um die künftige Regierung, regten sich die Gemüter. Stimmen , welche nach heftigen Auseinandersetzungen lechzten, sich einen Wahlkampf gleich einer Karnevalsveranstaltung oder einer Schlammschlacht wünschten wurden enttäuscht und sahen sich einer wohl eher sachlichen Diskussion ausgesetzt.
Duett statt Duell kommentierte man, zu wenig Engagement wurde bemängelt.

Liebe Mitbürger und Mitbürgerinnen und vor allem, liebe Journalisten!
Angefangen von einer katastrophalen politischen Bildung einfachsten Wissens, sollte wir hier zunächst einmal das grundlegende Wissen unseres Staates bereits den Jungwählern, gleich welcher Schulbildung, als ein Minimales an Kenntnis beibringen. Ich bin entsetzt und erschüttert, wie wenig unsere jungen Erwachsenen überhaupt an Grundlegendem beigebracht wird, was die Grundvoraussetzung zur Meinungsbildung darstellt.
Wie sonst erklärt sich, dass eine Vielzahl an Jugendlichen auf einer Weltkarte Deutschland kaum findet? Der Text unserer Nationalhymne unbekannt zu sein scheint und mit Sicherheit mehr als die Hälfte der künftigen Wähler den Einbürgerungstest nicht bestehen würden.
Ich will hier nicht einmal darauf dringen dass alle Bundesländer aufgezählt werden können oder eine handvoll unserer regierenden Minister gar in Zusammenhang mit ihrem begleitenden Amt bekannt sind.
WIR sind hier gefragt. Die Wurzel um das Verständnis der Politik.
Hier herrscht der Anfang. Hier liegt der Grundstein. Hier stehen WIR vor der Wahl und versagen kläglich.
Das Bewusstsein wecken daran teilzuhaben wäre von Nöten, dann sind nicht ausfallende Dispute gefragt, sondern sachliche Inhalte.
WIR sind Deutschland – doch den Wenigsten ist das bewusst. Schade eigentlich………

© Cornelia Kerber