Ein durchaus interessanter Stern am Kunsthimmel der neoexpressionistischen Kunst, der 1969 geborene Oliver Sich aus Baden-Württemberg, hier, wo sich Sammler tummeln, Konzerne gedeihen und so manch Kreativer zuhause ist.
Ich mag das was ich fand, obwohl ich nicht suchte. Eben drum.
Oliver Sich fiel mir vor einigen Monaten auf, zufällig. Kein Debütant, doch ein wenig inkognito die Person als solche, wie sein Werke insbesondere, weckte er meine Neugierde.
Eine zeitraubende Usance stets zu versuchen, sich ein eigenes virtuelles wie visuelles Bild zu machen, wissen und hinterfragen zu wollen, sich damit auseinanderzusetzen und sich weder von Äußerlichkeiten beeinflussen noch von Offensichtlichem beeindrucken zu lassen.
Stock konservativ eben. Ich, nicht er.
Nicht indiskret oder gar sensationslüstern, wohl eher wissensdurstig, erwartungsvoll und gespannt Anregendes zu entdecken was in den Bann zieht, eben faustisch emsig unterwegs.
Oft findet sich in der Welt der Bildenden Künste eine häufig wiederkehrende Auslegung gleichen Sinnbildes und irgendwie gleicht Vieles dem Strotzenden.
Altbewährtes ist gut, „Alte Meister“ ein magnetischer Anziehungspunkt, namhafte Künstler ein Muss, man möchte ja mitreden, Wissen suggerieren und Geschmack beweisen.
Mmmhh…..Auch ich bin den Mächten des Exorbitanten verfallen, es zieht mich immer wieder in Museen und bin leidenschaftlicher Besucher von Ausstellungen noch schaffenden kreativen Größen, würde mich als „kunstempfänglich“ bezeichnen.
Anregend bleibt demnach das Mustern der Werke, den Flair eines Museums, das Mitreden um Bekanntes oder die becateringten Vernissagen zum Betrachten und betrachtet werden.
Doch oft fehlt hier etwas…….
Es gleicht ein wenig einem Gänsefußmarsch durch die Welt der Künste…man kommt kaum vorwärts, ergötzt über eine endlos scheinende Zeit des gleichen Ausblicks, wird aber etwas diszipliniert des Immergleichen.
Das Stilgefühl unterliegt keinem Kuratorium der Gesellschaft, sondern wohl eher dem Pli des Augenblicks oder der Empfindung beim Erstkontakt und in Wortgebrauch wohl ein wenig ähnlich dem Wort „Perfektion“ in Verbindung mit Kunst.
Perfekt wobei? Vollendet mag die Fingerfertigkeit eines Künstlers sein, eines seiner Werke für den jeweiligen Betrachter, Künstler oder Käufer, wie die Qualität eines Namens an Quantität gemessen, doch aber nicht die Beweglichkeit der Kunst an sich.
Und hier bin ich beim Stichwort. Beweglichkeit – auch im Denken, im Entdecken von Neuem. Sich nicht eingeschüchtert belehren lassen, sondern selbst neugierig sein, aktiv teilnehmen, inspirieren lassen – das ist es was meine Leidenschaft zum Prickeln bringt.
So fand ich auch Oliver Sich.
Schlummernd im Gewirre, was ich sah, weckte meine Neugierde, ließ mich näher linsen, dann etwas genauer schauen und nun spähe ich des Gefundenen.
Seine Bilder sprechen die Gesellschaft an. Kritisch beäugt, künstlerisch verpackt.
In Gestik und Mimik erzählend, mahnend, auffordernd, beäugt und appellierend.
Stillleben vielleicht als Korrelat, zumeist persönliche Abbildungen individueller Charaktere, die eine Geschichte mit Hintergrund erzählen.
Und zu bebildern hat Oliver Sich viel.
Er ordnet seinen Stil dem „Bad Painting“ zu, ungehemmt beschrieben die gemalte Sichtweise, durch sardonische Gebärdenspiele, manchmal etwas provokant und demonstrativ. Gecken und Schönlinge sucht man zumeist vergebens – sondern man sieht das pure unüberpinselte Leben des Realismus mit einer Nuance eines Degouts im Ausdruck.
Nächster Flunder? Das mag sein. Doch Widerstand braucht einen Namen.
Klingt neu, aufregend, macht neugierig. Hierzu fällt Richter/Lueg/Polke/Kuttner`s „Kapitalistischem Realismus“ ein.
Vielleicht sind gar die Karikaturisten den Bad Paintern nicht unähnlich, würden sie ihre Materialien ergänzen. Ich höre den Aufschrei. Und doch setzt sich auch diese Sparte mit der aparten Sicht der Wahrheit auseinander.
Sicher, es braucht Epochen.
Eine beachtliche Anzahl an „moderner Kunst“ setzt sich mit der aktuellen Thematik auseinander. Ob Pop-Art, Surrealismus, Expressionismus, Abstraktion, die Anzahl der Sonnenblumen und Heimathütten geht zurück und nackte Betrachtungsweisen sind gegenwärtig.
Und sieht man detaillierte Genitalien, demonstrierte Körperflüssigkeiten, unverblümte Momente zwischenmenschlicher Beziehungen, problematische Begebenheiten selbstzerstörerischer Individuen, gesellschaftliche Anomalien oder anzuprangernde Perversitäten, politische Missetaten ist der moderne Begriff eben „Bad Painting“.
Und die Vertreter dieser Ausdruckskunst sind reichlich gesät, nur einfach anderen Begriffen zugeordnet, untergeordnet oder eben schlicht nicht katalogisiert.
Ich bin kein Künstler oder Austellen-Wollender der mit schönst möglichen Worten, intelligenten Beschreibungen und intellektuellem Sinndeutungen versucht Bilder zu vermarkten, der sich herauskristallisieren möchte aus der Masse, seine Sphären anpreisen will und versucht die eigenen Werke als „anders“ darzustellen, eben abzuheben aus der Majorität des Angebots.
Auch bin ich kein Sponsor oder Nutznießer, kein Aufbewahrer oder Selbstinterpret, Anbieter oder Verkäufer.
Es gibt Künstler die das Wort „Bad Painter“ nutzen um sich irgendwie als etwas Besonderes zu zeigen, stillose Sprüche nutzen und Bildchen woanders kopieren um diese mit anderen zu überkleben, oder Kollagen anfertigen, welche aus drei eigenen Pinselstrichen bestehen und den Rest als kreative Erbeutung darstellen.
Bad Painting als „schlecht, unkorrekt, hässlich oder gar böse“ zu bezeichnen – ausgenommen jene, die sich dadurch lediglich Profit oder Prestige zu erhoffen – kann nicht sinnerfüllend der Kunst als solche sein.
Warum auch? Es beschreibt das, was der Kunstschaffende sieht. Unzensiert.
Bad Painting als Stilbruch zu bezeichnen wäre demnach pure Arroganz und Zeuge einer Ignoranz. Jede Neuerung ist ein Stilbruch und da wir uns stetig weiterentwickeln, wandelt sich auch der vermeintliche Stilbruch.
Es gibt die Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und eben auch die Künstlerfreiheit.
Befremdlich ist, was nicht alltäglich scheint.
Proteststrategie würde es wohl nennen wer anderer Meinung ist, doch zusammengefasst und neutral betrachtet, ist Bad Painting eine unzensierte Darstellung der eigenen Meinung jedweden Bereichs unserer gegenwärtigen Ära beschreibend, welche nachdenklich machen kann, auf- und anregend wirkt, aber auf irgendeine Weise berührt – ob beschämend oder wohlwollend.
Bad Painting als intellektuelle Pseudoprovokationen sagen die einen.
Charakteristisches Prädikat einer zeitgenössischen Kunstform sage ich.
Um dem einen Namen zu geben, es anschaulich zu gestalten und bildlich zu untermauern, finden sich Namen wie Francis Picabia, René Magritte, Asger Jorn, Philip Guston, Neil Jenney, Georg Baselitz, Albert Oehlen oder Julian Schnabel in den Anfängen des Bad Painting.
Albert Ohlen, Martin Kippenberger oder Werner Büttner sind maßgebend dem Aufschwung dieser Stilrichtung einzuordnen, während Peter Saul, Lisa Yuskavage, John Currin, Neil Jenney, Julian Schnabel , Jean- Michel Basquiat, David Salle, Kenny Scharf, David Lynch oder Anton Henning und eben Oliver Sich als gegenwärtige Künstler dem Bad Painting Bedeutung beimessen. Valie Export, Otto Gross, der Grazer Günter Brus, Terese Schulmeister oder Sugar Plum darf man durchaus dem ebenso zuordnen.
© Cornelia Kerber, Februar 2012