Gegen den Strom
„Die Wahrheit lässt sich durch Sehen ergründen“, war seine Lebensphilosophie.
Er, der Maler Lucian Freud, der seinen Freund und Kunstkritiker Martin Gayford für dessen Portrait „Mann mit blauem Schal“ 2003/04 etwa sieben Monate Modell sitzen ließ und ihn dabei zusah, wie er diese Begebenheit in einem Ateliertagebuch niederschrieb.
Ein wundervolles Buch voller Menschlichkeit und geziert der wohl prägenden Erfahrung, welche diese Zeit mit sich brachte.
Die Wahrheit war ihm wichtig, dem Porträtkünstler der nicht nur beauftragte Persönlichkeiten wie die Queen oder Kate Moss malte, sondern jedes seiner Modell zu einer Besonderheit prägte.
Freud distanzierte sich vom Bilde seiner Kollegen, die über ihre Werke eine öffentliche Geste oder Erklärungen machen wollen, konstatierte er.
Der Künstler, der 2011 im Alter von 88 Jahren starb, nahm sich Zeit. Jede Zeit. Malte Monate und oft exzessiv an seinen Arbeiten und schuf mit jedem Werk ein Oeuvre.
So zog es vor das zu malen was ihn ansprach, ihn impulsiv erreichte – wie die gewöhnliche englische Angestellte, die weder plakativ noch markant ist, weder reich noch einem Renommee unterliegt – und doch wurde dieses Gemälde „Benefits Supervisor Sleeping“ (1995) eine Besonderheit des Ausdrucks. Das Außergewöhnliche an und in diesem Bild ist von solch bestechender Ehrlichkeit, dass es einfach nur fasziniert.
In der National Portrait Gallery in London finden sich mehr als 100 Werke des Künstlers ausgestellt, welche weltweit zusammengetragen wurden und ein umfassendes Bild, des auch für seine schonungslosen Aktbilder bekannten Lucian Freud, vermitteln.
Freud, der 1922 in Berlin geboren wurde und dort seine Kindheit verbrachte, blieb seiner Linie treu. Als Enkel des Sigmund Freud welcher die Bedeutung der Subjektivität prägte, verstand es sein Enkel, dies in seinen Werken zu vollbringen.
© Cornelia Kerber, Februar 2012
Nachtrag 14. Mai 2012 – Auf Wunsch betreffend eines Hinweises nachfolgender Lucian Freud Ausstellungen ist mir bislang lediglich die Planung einer Ausstellung im Oktober 2013 im Wiener Kunsthistorischen Museum bekannt.
Herzliche Grüße, Cornelia Kerber