Text: CorneliaKerber, Süddeutsche Zeitung, 21.01.2011, Jetzt Redaktion
Beihilfe zur blühenden Gewaltherrschaft auf Internetplattformen
Man liest des Öfteren über Warnungen im World Wide Web, nimmt zur Kenntnis, schüttelt vielleicht noch den Kopf und legt den Gedanken bereits beiseite.
Bis man plötzlich selbst involviert ist.
Eingeschlossen in die virtuelle Welt der Verbrechen, Teil der verdeckten Vergehen im verworrenen Netz der visuellen Gesellschaft.
Unzählige Plattformen im Weltall der Datenverarbeitung bieten Raum für Schandtaten und Delikte, Straftaten, Rechtsbrüche und Gesetzwidrigkeiten.
Internetseiten, welche damit werben ein soziales Netzwerk zu sein um Menschen zu verbinden, bieten stattdessen die Möglichkeit für Delinquenten und lassen Spielraum um unbehelligt ahnungslose Personen in den Dunstkreis dunkler Machenschaften zu ziehen.
Wie kann es sein, dass man geschlossenen Gruppen wider Willen und ungefragt ohne Zustimmung und Wissen hinzugefügt werden kann? Beispiel: Facebook.
Sichtbar auf der eigenen Pinnwand öffentlich zu lesen, als Mitteilung von Neuigkeiten für Bekannte und Freunde bei „Neuste Meldungen“ ersichtlich, zieht diese Nachricht ihre Kreise noch bevor der Geschädigte überhaupt Kenntnis davon erlangt.
Gebrandmarkt und beschämt rechtsradikaler Gruppierungen beigeordnet, diffamiert und diskreditiert in Verbindung solchen Umfeldes gebracht.
Nach Bemerken zwar alsbald wieder aus den Gruppen gelöscht und entronnen, bleibt dennoch ein bitterer Nachgeschmack der Möglichkeiten und der Macht, welche andere Menschen über uns haben.
Im Internet scheint kein Datenschutz zu existieren, Privatsphäre ein Antonym der Persönlichkeitsrechte darzustellen und stattdessen einer Datenautobahn als internationales Netzwerk zur Behaglichkeit des Terrors zu gleichen.
Selbst schuld, weshalb möchte man auch Teil eines „sozialen Netzwerkes“ sein und sich mit Menschen in nationalen wie internationalen Gefilden austauschen?
Im Zeitalter der Globalisierung und der Ära des Internets scheint ein gesetzloser Raum geschaffen, der reichlich Nahrung für kranke Köpfe bietet, sie füttert und gedeihen lässt.
Eine gedeckte Tafel für die sich wie Karnickel vermehrender Horde diverser Extremisten zur Verbreitung hetzerischen, infamer Reden und deren Wahn.
Während sich die Politik in endlosen Diskussionen über Datenschutzbedenken verstrickt und sich Gedanken über die Zulässigkeit von Kameras an öffentlichen Plätzen zum Schutze der Bevölkerung macht, jahrelang über elektronische Ausweispapiere mit Fingerabdruck diskutiert wird und sich Wege des Ausmerzen gravierender Sicherheitsmängel z.B. an Flughäfen nur zögernd durchsetzen, entfaltet sich der Terror und die Bürger sind schutzlos der Handhabe von Verbrechen in weitaus größerem Umfang und beängstigender Anzahl ausgeliefert.
Administratoren geschlossener Facebookgruppen fügen ihrem Kollektiv willkürlich und unbehelligt Personen zu, ohne deren Einverständnis einholen zu müssen. Man sollte die Gesellschaft warnen solcher Machenschaften und Aufklären der Möglichkeiten welche sie in Verruf bringen können.
Öffentlich sichtbar, weder versteckt noch verheimlicht treiben die Anhänger solcher Gruppierungen ihr Unwesen auf den Seiten Personen des öffentlichen Lebens oder Institutionen unserer Rechtsordnung und Gesellschaft– und alle schauen zu.
Rassismus, Antisemitismus und Gewalt verherrlichende Äußerungen in Hülle und Fülle, unbehelligt. Weil Facebook’s Sitz im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist, dem Land das sich einerseits so prüde zeigt und gleichzeitig eine Metropole der Fragwürdigkeiten zu sein scheint, dem Land welches sich so viele zum Vorbild wählten und dabei der Egozentrik frönt und sich der Ignoranz labt?
Beherzten Mutes wandte sich die hier in Deutschland unrechtmäßig in solche Gruppierungen hineingezogene Person an die Behörden, meldete den Vorfall wie die Ergebnisse eigener Recherchen mit stichhaltigen Beweisen rechtsextremistischer Art den entsprechenden Obrigkeiten des Bundesverfassungsschutzes wie auch dem Bundeskriminalamt – und stieß auf Ohren der Nicht-Zuständigkeit.
Abgewiegelt der Verantwortlichkeit zugunsten des Terrors, verwiesen an die örtliche Polizei um Strafanzeige zu stellen, wohl um für den Staat die öffentliche Ordnung herzustellen?
Weit gefehlt. Man fand auch hier Worte der Erklärungen zur Machtlosigkeit mit zuckenden Schultern. Bedauerlich. Freifahrtschein dem Fanatismus, hoch den Radikalen mangels Zuständigkeit.
Der Firmensitz entscheidet wessen Recht gilt, sagt unser Ordnungssystem und ist somit Fundierung des Phlegma.
Vereinfacht gedeutet, die deutschen Behörden schauen zu, wie sich der Extremismus in seiner Blüte entfaltet, ihre Bürger diffamiert und das Internet als Schauplatz gewaltverherrlichter Frevler enthemmt. Nicht deutsches Recht, sondern Gesetz des Landes der unbegrenzten Möglichkeiten gilt nun auch in Deutschland. Man melde einfach seinen Sitz in einem rechtsfreien Staat und schon sind unsere Grundgesetze nichtig. Es lebe die Freiheit!
Das Blockieren und Löschen solcher Kontakte in der Freundesliste bei Facebook eine Farce in Anbetracht der dort wimmelnden Schar anrüchiger Mitglieder die im Verborgenen in Unwesen treiben können. Ein Kontakt löschen und zwei versehentlich adden.
Erfundene Pseudonyme nicht reell existierender Personen die sich ihr Netzwerk mit erdachtem Profil hinter einer Mauer des „gefällt mir“ aufbauen und sich somit Zugang zu Personen und Institutionen öffentlicher Hand erschleichen, um dort nach der „gefällt mir“ Eintrittskarte ihr Unwesen zu treiben. So einfach ist das.
Das Melden an den Betreiber des Netzwerks sinnlos, deren Hauptsitz im Ausland hinter verschlungenen Pfaden und nicht korrekten Adressen in Deutschland nicht zu kontaktieren sind. Man kennt die Vorzüge solcher Länder die steuerliche Anreize oder Anonymität bieten.
Weder Möglichkeit zur Beschwerde via E-Mail noch das Übersenden von Nachrichten auf andere Weise war bei Facebook möglich. Ein Hilfebereich, der Anwendungsanfängern vielleicht nützlich sein mag, doch Betroffene ihrem Schicksal überlässt. Ein Link im Impressum der zu selbigem Hilfebereich führt, gleicht einer Sackgasse. Ein „Kontakt-Button“ ebenso, man landet dort wo man bereits war und dreht sich weiterhin im Kreise.
Ein Podium zum Nähren von Bazillen die lediglich das Löschen des eigenen Kontos zur Abhilfe und zum Schutze übrig lässt. Zurück in die Vergangenheit die Lösung? Ausgrenzen aus der Gesellschaft der Schutz?
Rezitiert: „Facebook ist ein soziales Netzwerk, das Menschen mit ihren Freunden, Arbeitskollegen, Kommilitonen und anderen Mitmenschen verbindet.“
Konstatiert: Gemein-nützliches Geflecht, welches Individuen mit Ihrer Anarchie vernetzt und einen Gabentisch von Opfern bereit hält, welche sich selbst überlassen sind.
Vertrauen Sie nicht unserer Jurisdiktion, seien Sie sich der Risiken und Nebenwirkungen bewusst und lesen Sie aussichtslos die AGB’s der Hintertüren.
© Cornelia Kerber