ILSE GEWOLF „portraitiert“ Texte und Schrift, lässt Texte zu Schriftbildern werden und Schriftbilder wieder zu abgerissenen, überlagerten, meist unleserlich gewordenen Textformen, indem sie ihnen im wahrsten Sinne des Wortes die Haut abzieht, sodass unter der Haut der Bedeutungen oft nur noch ein manisch fortlaufendes Schreiben zum Vorschein kommt.„An den Linien der Worte, an ihrem Meinen entlang, entwickeln sich die Bilder, wachsen Bildzeichen aus Schriftzeichen, verschwinden wieder, werden brüchig unter der Haut des Papiers und brechen mit der Zeit. So taucht Schwarz wieder in Weiß, und die Worte werden still für eine Weile, und die Augen reisen entlang an den Linien der Worte. Immerfort. Wortgruppe um Wortgruppe löst mein Malen den Text aus seiner ursprünglichen Form, führt ihn über ins neue große Formfeld einer Leinwand. Mir ist bewusst, dass am Grundtext nicht zu rütteln ist, dass meine künstlerische Arbeit auf einer ganz anderen als der Verstandesebene stattfinden muss, denn wenn von menschlichen Tiefenschichten her appelliert wird, dann müssen im Fall einer Kontaktaufnahme ebensolche Tiefenschichten auch reagieren, und daraus ergeben sich ganz bestimmte Aussageformen, folgerichtig und jenseits eines Kalküls. Das ist der Punkt, an dem ich den Betrachter an die Sprache der Bilder verweise, weil eine weitere Worterklärung tautologisch wäre.“
Ilse Gewolf, 2003/2010Sprachbilder und Bildsprachen als Mittel des Ausdrucks sind nur unterschiedliche Medien, die doch das Gleiche evozieren, sie können berühren. Trifft die bildnerische Gestaltung das Wort, so entsteht dabei ein Dialog, der Neues kreiert. Wenn die gegenwärtige Malerin Ilse Gewolf der vergangenen Literatin Ingeborg Bachmann begegnet, so müssen die Betrachtenden innehalten, um dem ungewöhnlichen Zwiegespräch zu lauschen. Im Wahrnehmen des Dargebotenen erschließt sich eine unkonventionelle Dimension des Möglichen. Hier wird die Sprache und ihre Aussage nicht interpretiert, sondern von ihr ausgehend mit gestaltetem Papier ein noch unbewohnter Raum geformt – Denkraum und Wirkungsraum in einem.
Lisa Fischer, 2012Die Ausstellung ist Auseinandersetzung und Wechselbeziehung zwischen den sprachlich hervorgerufenen Bildern in den Texten Ingeborg Bachmanns einerseits und den „Erzählungen“ in den Ausdrucksformen der Arbeiten Ilse Gewolfs andererseits. Ein Dialog zwischen den Zeiten und den je anderen künstlerischen Ausdrucksweisen soll auf das Erscheinen der Bilder in der Sprache und der Sprache in den Bildern hinweisen.Das Konzept. Auf einer Fläche von etwa 700 qm im Wiener Künstlerhaus inszeniert Ilse Gewolf eine Begegnung zwischen Literatur, Bildender Kunst, darstellender Kunst, Film und Musik, ein alle Räume umfassendes, interdisziplinäres Gesamtkonzept mit einem Darstellungs-Schwerpunkt auf Malerei und Literatur.
Hier ist für einige Wochen eine Bühne, mitten in der Stadt, die auch einer der dichterischen Orte für Bachmanns Todesartentexte war und ist. Ein anderer Ort für Zufälle? Einer, an dem stattzufinden hat, was Kunst ist und was Leben? Künstler verschiedener Provenienz schaffen in ihren Imaginationen von Welt Sprachräume, Tonräume, und Bildräume und schließlich Aktionsfelder aus vielem, was miteinander in Kontakt zu treten wünscht. Hier also ist für einige Wochen eine Bühne, mitten in der Stadt.
Eine Kooperation mit arbos art, Verein zur Förderung interdisziplinärer, internationaler Kulturprojekte |
Eröffnung: 3. Mai 2012, 19 UhrBegrüßung
Ona B., Künstlerin und Vorstandsmitglied des KünstlerhausesHeinz Bachmann, Bruder von Ingeborg BachmannZur Ausstellung
Lisa Fischer, Worte malen – Momente des Zerreißens, Kulturhistorikerin, PublizistinIlse Gewolf, Schreibenmalen zu Ingeborg BachmannMusik
Markus Steinkellner, Gitarre, Improvisations-Session: „dementia / how i lost the words on the road“
Klaus-Felix Laczika, Klavier
Thomas Staudinger, Bariton: Vortrag eines Jugendgedichts von Ingeborg Bachmann in einer Vertonung von Konstantin Wecker
VERANSTALTUNGEN
Sonntag, 6. Mai 2012, 11 Uhr
Matinee
Burgschauspielerin Elisabeth Augustin liest „Undine geht“ und einige unveröffentlichte Texte von Ingeborg Bachmann
Markus Steinkellner, Gitarre-Improvisationen: „rauschen“
Donnerstag, 10. Mai 2012, 18 Uhr
Vortrag, Lesung, Musik
Hans Höller, Universität Salzburg, spricht zum Dialog zwischen den Texten Ingeborg Bachmanns und den Bildern Ilse Gewolfs
Heinz Bachmann liest aus den „Kriegstagebücher(n)“ seiner Schwester Ingeborg
Renald (Klarinette) und Margarethe (Cello) Deppe: „ilsengraphein oder schafpelzige wolfvariationen in G“
Donnerstag, 24. Mai 2012, 19 Uhr
Lesung, Musik
Heilwig Pfanzelter liest „Die Geheimnisse der Prinzessin von Kagran“ aus „Malina“ von Ingeborg Bachmann
Eveline Rabold singt Lieder über die Liebe in den Sprachen der Volksgruppen, die in Süd- und Ostösterreich beheimatet sind (Ungarisch, Kroatisch, Roman, Slowenisch, Jiddisch).
Begleitet wird sie von Vlado Blum (Akkordeon, Gitarre)
Donnerstag, 31. Mai 2012, 19 Uhr
Finissage
Elke Papp, Autorin, Performerin, Komparatistin, Romanistin, Sprach- / Schreibvermittlerin und Karin Seidner, Germanistin, Anglistin, Psychotherapeutin, Performerin, Autorin, Leiterin von kreativen Schreibworkshops, zeigen:
Bachmann – Flussfrau in Farbe
Schall Rauch Schreiben
Beschrei/b/t/ungen von zwei Frauen (Karin Seidner / Elke Papp) und ihren Schrei/b/maschinen.
Die schönen Bilder vom schwierigen Dasein, von der unmöglichen Liebe
Musik von Markus Steinkellner |